Direkt zum Hauptbereich

Knorb live bei ARD Jazz



  Nikals Wandt:

 „ARD Jazz – das Magazin.
Jeden Mittwoch um 22 Uhr melden wir uns mit dem wöchentlichen Jazz-Update.
Heute mit Neuerscheinungen – aber auch mit grundsätzlichen Gedanken zu Jazz und Politik.

Später im Gespräch: der bekannte Jazzschimpanse Prof. Werner Knorb, Leiter des Jazzlabors im ehemaligen Pumpwerk Alte Emscher in Duisburg-Meiderich.
Ich habe mit ihm über seine gerade erschienene Autobiografie "Jazz mit dickem Fell" gesprochen – und über seine kulturpolitischen Forderungen.

Unser musikalisches Intro kommt heute von Quincy Jones – ein Stück von 1969: ‚Killer Joe‘.

Ich bin Niklas Wandt. Hallo!“

[Musikeinlage]

Wandt (ruhig, fast flüsternd):
„‚The weapon that we will use is the cool one‘ – das hat Dizzy Gillespie einmal gesagt.
Für meinen heutigen Gast war das vielleicht mehr als nur ein Satz.
Für ihn war es Überlebensstrategie.

Geboren im Duisburger Zoo, aufgewachsen zwischen Gitterstäben, Besuchern und eingestreuten Sägespänen.
Heute Professor für Jazztheorie an der Folkwang Hochschule und Leiter des Jazzlabors im ehemaligen Pumpwerk Alte Emscher.
Ein Musiker, ein Forscher, ein – nennen wir’s ruhig so – philosophischer Primat.

Wir haben uns auf das Du geeinigt. Guten Abend, Werner Knorb.“

Knorb:
„'nabend, Niklas.“

Wandt:
„Ich möchte mit einem Satz Deiner Mutter beginnen. Helga – eine Legende für sich.
In einem Interview, das Deine Pflegerin Marion Ahlers der WAZ gegeben hat, steht ein Satz, den sie Dir zugedacht haben soll:
‚Bleib still, wenn sie laut werden. Bleib wach, wenn sie schlafen. Und wenn sie dich messen wollen – tanz.‘

Hat sie das wirklich gesagt?“

Knorb:
„Ja. Nicht in Worten, aber mit Blicken.

Sie war nicht laut.
Die Menschen, die sie gefangen nahmen, waren laut.
Sie hat nie zurückgeschrien. Nur dieses… cool Sein.

Ich glaube, sie hat Dizzy verstanden, ohne ihn zu kennen.
‚The weapon that we will use is the cool one.‘
Das war ihre Art zu überleben. Und ist vielleicht auch meine.“

[Musikeinlage]

Wandt:
„Auch das habe ich in Deinem Buch gelesen: Du hattest am Abend Deines ersten Clubauftritts in der Alten Lampe mächtig Lampenfieber. Helmut Schlitt war an Deiner Seite – was ist da genau passiert?“

Knorb:
„Oh ja… ich saß da, barfuß, Batikhemd, florale Brille und die Tuba auf dem Schoß – und dachte nur: ‚Was, wenn die Leute mich jetzt auslachen?‘ Ich war … naja, sehr … affenartig nervös.“

Wandt:
„Und Schlitt?“

Knorb:
„Helmut kam zu mir und hat gesagt: ‚Cool bleiben, Werner. Sag einfach unseren Plattentitel. Dann lachen sie. Und dann legst du los.‘“

Wandt:
„Und wie hieß der Titel?“

Knorb:
„‚No sex, no drugs, no Dixieland.‘ Dann haben sie gelacht. Und ich hab gespielt. Der Auftritt schlug ein, wie eine Bombe.“

[Musikeinlage]

Wandt: „‚No sex, no drugs, no Dixieland.‘ Ein Satz, der die Tür aufstieß. Werner, Du bist Professor, Forscher, gefeierter Künstler. Dennoch titeln viele Medien nach wie vor: 'Der trötende alte Affe'. Reduziert man dich damit nicht auf die Spezies? Und was forderst Du kulturpolitisch, um diese Hürden für nicht-menschliche Künstler zu senken?“

Knorb: „Niklas, weißt Du, die Spezies – das ist nur das Gehäuse. Das Etikett auf der Hülle. Ich habe mich nicht für dieses Gehäuse entschieden, aber ich akzeptiere es. Was ich nicht akzeptiere, ist, dass der Klang aus meinem Gehäuse weniger wert sein soll als der Klang aus einem menschlichen Gehäuse. Ein tiefes B auf einer Tuba ist ein tiefes B auf einer Tuba. Es hat keine Prämisse. Es ist nicht menschlich oder schimpansisch. Es ist einfach Musik. Die Kunst muss zählen, nicht die Anatomie. Period.“

Wandt: „Und wie erreichen wir das?“

Knorb: „Mit Gelassenheit. Nur mit Gelassenheit. Und mit Gerechtigkeit. Ich fordere, dass alle staatlichen und kulturellen Förderungen, alle Lehrstühle, alle Preise – vom Echo bis zum Kulturpreis der Stadt Duisburg – speziesneutral ausgeschrieben werden. Es muss eine Quote für die künstlerische Qualität geben, nicht für die Hände, die sie erzeugen. Wir Primaten – und alle anderen nicht-menschlichen Künstler – wollen nicht toleriert, wir wollen anerkannt werden. Anerkannt für das, was wir sind: Vollwertige, komplexe Künstler.

Ich bin Professor Dr. Werner Knorb. Und ja, ich bin ein Schimpanse. Aber ich spiele ganz gut Tuba. Das ist alles, was das Publikum wissen muss. Alles andere ist Lärm, und Lärm...“

Wandt: „...Lärm ist das, was Du im Duisburger Zoo hinter Dir gelassen hast.“

Knorb: „Ganz genau. Bye, bye und Saallicht.“

Wandt: „Werner Knorb. Danke für das Gespräch und die deutlichen Worte. Und danke an Mutter Helga, wo auch immer sie ist, für das Überlebensmotto. Das war ARD Jazz – das Magazin. Nächste Woche sprechen wir über die Neue Deutsche Saxophon-Szene...“

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Jazz mit Fell – Professor Knorb und seine Tour de Tuba

  Professor Dr. Werner Knorb – Jazz-Schimpanse, Tuba-Virtuose, florale-Brillen-Liebhaber – und: Deutschlands einziger Jazzprofessor. Das allein würde schon reichen, um sich ein Denkmal aus Notenschlüsseln zu gießen. Aber Knorb wäre nicht Knorb, wenn er es dabei belassen hätte. Seine Habilitation bei Roger Bobo? Kein trockenes Papier,  sondern eine wuchtige, an Pendereckis Polymorphia orientierte Version des Tuba-Stücks „Kreuz Kaiserberg“, von Bobo kommentiert mit: „Werner, das ist entweder genial – oder ein Notruf aus dem Untergrund.“ Knorb brummte nur. Die Aufnahme landete später, getarnt unter Pseudonym, auf dem legendären Album „Tuba Libera“ – ein Meilenstein für all jene, die Tuba nicht mehr nur mit Märschen assoziieren. Für seine Promotion zog er alle Register – und blies „The Lonely Shepherd“ auf der Tuba so sehnsuchtsvoll, dass Gheorghe Zamfir, Papst der Panflöte, zu Tränen gerührt war. Was folgte, war eine zweijährige Tour mit Zamfir und André Rieu: Rio, Tokio, Sydne...

Sonderfolge: Operation Goldrahmen

Das passiert nicht alle Tage: Vor dem rostigen Tor des ehemaligen Pumpwerks Alte Emscher – von Knorb liebevoll 'Jazzlabor' genannt – setzt der schneeweiße Cougar der Luftwaffe auf. Seitentür auf, hydraulisches Zischen. Aus dem Heli steigt Majorin Sina Dornfeld (Rufzeichen ‚Eule‘) in makelloser Uniform, ihre Augen scannen das Gelände, bis sie den abflugbereiten Professor mit seinen beiden Dackeln entdeckt. Majorin Dornfeld nimmt unsere drei Freunde persönlich in Empfang. Prof. Dr. Werner Knorb, barfuß wie immer, florale Brille, Batikhemd. Den eingeschlagenen Goldrahmen mit der Geburtsurkunde von Trumps Großvater unterm Arm. Idee: Fritz. Beschaffung: Gustav. Goldene Rahmung: Der Professor. Es geht zum Militärflugplatz Köln-Wahn. Merz wartet schon vor dem Regierungsflieger. Um ihn: Aktenmänner, Uniformen, diskrete Sicherheitsleute mit Knopf im Ohr. Merz: „Werner. Na klar. Wer sonst, wenn’s goldgerahmt sein soll.“ Knorb: „Fassung für den Wahnsinn. Und das im wortwörtlichen Sinn.“ M...

Brass Beauty – Folge IV: Gonna Go Fishin’

  Ein kühler verregneter Mittwochabend im Mai. Gustav und Fritz , die beiden Dackel von Prof. Dr. Werner Knorb , flitzen kläffend zur Tür des Jazzlabors in Meiderich. Knorb schaut von seiner Tuba auf, leicht überrascht. „Geplant war doch heute irgendwie nichts“, murmelt er und stellt die Politur beiseite. Ein Klopfen folgt, und an der Tür steht Jenny Evans – im  abgewetzten weißen Mantel mit einem Notenheft unter dem Arm und einem schelmischen Lächeln im Gesicht. "Werner, ich habe ein Attentat auf Dich vor. Erinnerst du dich? Muffathalle, '99. Du hast backstage eine ganze Kanne von meinem Earl Grey getrunken.“ "Gab ja nix Vernüftiges." Sie lachen. Knorp bittet sie herein. Das Jazzlabor riecht nach Kolophonium, nassem Notenpapier und einer Prise Melancholie. "Erinnerst Du Dich, nach dem Konzert, als wir ‘Für eine Nacht voller Seligkeit’ gespielt haben?“ Knorb lächelt, greift zur Tuba und nickt. „Peter Kreuder. Klassiker. Gustav, Fritz macht uns mal 'ne Flasc...