Alle drei Monate dasselbe Ritual. Ein leises Surren kündigt ihn an, dann biegt der kleine elektrische Lieferwagen von DPD um die Ecke des ehemaligen Pumpwerks Alte Emscher.
"Hallo Herr Professor!", ruft Mehmed, grinst unter seiner Basecap, während er ein Päckchen in die Höhe hält. "Nachschub. Die Cheffin schickt schwarzes Gold."
Professor Dr. Werner Knorb, Deutschlands einziger Jazzprofessor, unterbricht selbst die konzentriertesten Improvisationen. Er legt seine Tuba beiseite, als Mehmed die große Stahltür des Pumpwerks einen Spalt öffnet. Und Fritz und Gustav, die Herren Dackel, ihn kläffend begrüßen.
Knorb weiß, wer "die Cheffin" ist. Marion Ahlers, Tierpflegerin in Rente. Mit dem Opinel schlitzt er vorsichtig das Paketband auf und fördert einen vorbildlich gepolsterten Karton zutage. Darin: drei Gläser Walsumer Schwarzmus von Bauer Blomenkamp.
Es ist seine Sorte. Jene tiefdunkle, würzige Schlotze, die nur auf dem Hof Blomenkamp in Walsum nach einem Familienrezept hergestellt wird, das angeblich von Mia Blomenkamps Urgroßmutter stammt. Ein Geschmack, der Knorb augenblicklich in eine andere Zeit katapultiert.
Er erinnert sich an Marion Ahlers, seine Pflegerin aus dem Duisburger Zoo. Sie hatte ihn aufgepäppelt, als er noch ein schmächtiges Jungtier war, und kannte seine Schwäche. Immer, wenn der Tierarzt mit der Impfspritze anrückte und Knorb als kleines Schimpansenbaby sich am liebsten unter dem nächsten Stein vergraben hätte, war es Marion, die mit einem Löffel voll duftendem Pflaumenmus kam. Süß, klebrig, tröstlich. Ein kleiner Moment des Glücks, der ihn den Picks des Tierarztes vergessen ließ.
Heute, inmitten seines Jazzlabors, einem Refugium, das er sich selbst mit viel Überzeugungskraft und ein paar Mauscheleien geschaffen hat, ist das Walsumer Schwarzmus mehr als nur ein Aufstrich. Es ist eine Botschaft aus der Vergangenheit, eine Erinnerung an die Erdung, an die ruhige Fürsorge, die ihn geformt hat.
Knorb öffnet eines der Gläser, ein leises Ploppen, das im großen Raum widerhallt und die Dackel sofort in Habachtstellung bringt. Er taucht einen Löffel tief ein und kostet. Ein Lächeln breitet sich auf seinem haarigen Gesicht aus.
Fritz und Gustav haben sich inzwischen schwanzwedelnd neben ihn gesetzt, Blicke wie Spürhunde bei der Zollkontrolle. Knorb greift erneut ins Paket – und da ist es: ein kleines, extra verpacktes Gläschen grobe Leberpaté aus dem Hofladen. Marion hat auch an die Herren Dackel gedacht. Jeder nur eine Messerspitze.
"Marion", murmelt Knorb leise, während der würzige Geschmack seine Zunge wärmt, "du weißt einfach, was ein alter Affe braucht."
Und für einen kurzen Moment, inmitten der Klänge von ungespielten Noten und schlafenden Dackeln, ist Professor Dr. Werner Knorb nicht der weltberühmte Jazzprofessor, sondern wieder der kleine Schimpansenjunge, der Trost mit einem Löffel Pflaumenmus findet.
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