Fritz Blumendahl. Ehemaliger Kulturattaché in Rio de Janeiro. Langhaardackel. Meister der Pantomime.
Seine Mutter, Nelly von Baerl, hatte Großes mit dem kleinen Welpen vor. Fritz, eben erst stubenrein, wurde bei Madame Cuvelier in Brüssel einquartiert. Er bekam das Zimmer neben den Tänzerinnen der Blue Belle Group. Madame Blue Belle war eine Koryphäe der französischen Bühnenästhetik in Valenciennes – aber nicht so groß wie Busby Berkeley in der Welt.
Nach den Auftritten, frisch geduscht, wurde Fritz von den Tänzerinnen durchgeknuddelt und bekam einen Happen grobe Leberpaté. Fritz war selig.
Der Teckel ging den steinigen Weg, lernte sieben Sprachen – akzentfrei, versteht sich. Selbst sein Wouf klang französisch. In Wirklichkeit waren es neun, wenn man Gestik und Diplomatie mitzählt.
Über seinen Kommilitonen Toninho Aranha, Ururenkel des legendären Osvaldo Aranha, an der Alliance Française Bruxelles-Europe, öffneten sich ihm Türen in ein weltweites Netzwerk, die anderen auf ewig verschlossen blieben.
„Man muss zur richtigen Zeit am richtigen Bein geschnüffelt haben“, sagte Fritz und lächelte.
Mittlerweile war er Kulturattaché, saß auf einem Balkon hoch über der Copacabana, knabberte genüsslich an einem getrockneten Ochsenziemer und gönnte sich einen Schluck goldfarbenem Cajuína.
Dann der Schock. Corona. Eine weltweite Pandemie.
Alle Teckel ausländischer Dienste wurden abgezogen. Mit dem letzten Flieger vom Antônio Carlos Jobim nach Lohhausen.
Ein Missverständnis am Flughafen Düsseldorf, ein falsch gesetzter Haken im Heimtierausweis – Rubrik „Zeckenstatus unklar“ – und schon war der ehemalige Attaché per Bully in der Frachtbox im Duisburger Norden gestrandet.
Es nieselte. Der Professor entdeckte den nebelfeuchten Teckel mit Halstuch, als er auf seiner Solex zum Jazzlabor rollte.
„Junger Mann, was machen Sie denn hier in Meiderich?“
Fritz tat das, was er am besten konnte: Er setzte den Dackelblick auf und zuckte mit den Schultern. Vielleicht kullerte sogar eine Träne.
„Na, dann kommen Sie mal mit!“, sagte der Professor und beförderte Fritz in den Seitenwagen der Solex.
Im Jazzlabor. "Eine Schale warme Wurstbrühe für den Herrn?" Natürlich hat Fritz nicht nein gesagt - mit klammem Fell und nach 11 Stunden Interkontinentalflug. Da ist ein Schluck warme Wurstbrühe, das was ein Teckel braucht.
„So, ich müsste dann mal mit den Proben beginnen“, sagte der Professor und drehte sich um. Dann hielt er inne.
„Wie heißen Sie eigentlich?“
„Fritz.“
„Nur Fritz?“
„Fritz Blumendahl, Herr Professor.“" - "Wie dem auch sei. Ich starte jetzt."
Fritz legte sich unter das Vibraphon, drehte sich auf den Rücken und schlief. Während der Professor Tonleitern auf der Tuba blies, zuckte Fritz im Traum mit den Pfoten.
Der Professor rannte zu ihm hin und rüttelte ihn wach. Auf einmal schon beim Du. "Fritz, kannst Du tanzen?" - "Ja." - "Fritz, kannst Du singen?" - "Ja." - "Morgen will sich ein Rauhaardackel hier vorstellen. Ich sag’s dir, Fritz: Vielleicht sind wir da einer ganz, ganz großen Sache auf der Spur."
Professor Dr. Werner Knorb – Jazz-Schimpanse, Tuba-Virtuose, florale-Brillen-Liebhaber – und: Deutschlands einziger Jazzprofessor. Das allein würde schon reichen, um sich ein Denkmal aus Notenschlüsseln zu gießen. Aber Knorb wäre nicht Knorb, wenn er es dabei belassen hätte. Seine Habilitation bei Roger Bobo? Kein trockenes Papier, sondern eine wuchtige, an Pendereckis Polymorphia orientierte Version des Tuba-Stücks „Kreuz Kaiserberg“, von Bobo kommentiert mit: „Werner, das ist entweder genial – oder ein Notruf aus dem Untergrund.“ Knorb brummte nur. Die Aufnahme landete später, getarnt unter Pseudonym, auf dem legendären Album „Tuba Libera“ – ein Meilenstein für all jene, die Tuba nicht mehr nur mit Märschen assoziieren. Für seine Promotion zog er alle Register – und blies „The Lonely Shepherd“ auf der Tuba so sehnsuchtsvoll, dass Gheorghe Zamfir, Papst der Panflöte, zu Tränen gerührt war. Was folgte, war eine zweijährige Tour mit Zamfir und André Rieu: Rio, Tokio, Sydne...
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