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Per Niederflurbus zum Folkwang


Willem war nicht da, als Werner ging. 

Tierpflegerin Marion Ahlers hatte ihm noch einmal die florale Brille geputzt. Hatte das Sacko aus dem Altkleidersack, das zwei Nummern zu groß war, an den Schultern zurecht gerückt. Hatte Werner den Vierfahrtenschein Preistufe B mitgegeben. "Werner, mit der Elektrischen 901 bis Hansastraße und dann den 134er Niederflur nach Werden. Kannst Du Dir das merken?"

Und nun fuhr er. Nicht weg, nicht nach Hause – irgendwohin dazwischen. Werden. Folkwang. Er wusste nicht, ob sie ihn ernst nehmen würden. Ob man ihn überhaupt vorspielen ließ. Und ob Willem es je erfahren würde. Seine Mutter Helga hatte ihm Mut gemacht: "Werner, Du schaffst das."

Was keiner gesagt hat: An der Ruhrtalstraße muss man noch von der 134 in den 180 Bus umsteigen, um zum Klemensborn zu kommen. 7.45 Uhr. "Sie sind aber früh dran, Herr Knorb", sagte Hausmeister Korten, der Werner den Vorspielsaal aufschloss. "Ihre Prüfung ist erst um 9 Uhr."

Werner war bewusst zeitig aufgebrochen. Schließlich hatte er kein eigenes Instrument. Die Lenorflasche war ihm irgendwie peinlich. Die Hochschule stellte einen Gartenschlauch und einen Trichter. Werner brauchte eine Weile, um Töne herauszubekommen, aber dann ging es.

Punkt 9 Uhr. Die Professoren erwarteten einen Gag. "Erst die Asiaten. Und jetzt kommen die Primaten." Vielleicht eine kleine Show. Aber was kam, war Musik. Reines, pulsierendes Spiel. Wie ein Fluss, der endlich frei floss.

All the Things You Are, Autumn Leaves – gab Werner zum Besten. Und dann: Fly Me to the Moon.

Professor Ulrich Haas war still. Dann sagte er: „Der hat was. Der bleibt.“

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