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Vader Willem - Gamelan auf Blechnapf

 


 

Willem, Vater von Professor Dr. Werner Knorb, war kein stiller Typ. Im Zoo Duisburg im Gehege gleich hinter dem Flamingoteich – war er jahrelang der inoffizielle Taktgeber des Affenhauses. Ein echter Primus unter den Primaten, gebaut wie ein Hüne.

Sein Stammbaum? Zoointern lückenhaft dokumentiert. Man sagt, seine Vorfahren stammten ursprünglich aus dem Burger’s Zoo in Arnheim, aber Willem selbst war längst eine Institution: aufgewachsen in der dritten Generation in Menschenobhut, mit ausgeprägtem Geltungsdrang und einer Vorliebe für große Auftritte. Besonders vor der Fütterung.

Denn Willem spielte. Nicht etwa Instrumente. Nein: Er spielte Napf. Einen schlichten Blechnapf, den er sich mit einem Bambusstab zur Klangskulptur umbaute. Seine Rhythmen waren keine Improvisation, sondern Erhebung. Fein verästelt wie balinesisches Gamelan – ohne Noten, ohne Regeln, aber mit Präsenz.

„Wenn Willem loslegte“, erinnerte sich einmal Marion Ahlers, langjährige Pflegerin, „da war es mucksmäuschenstill. Sogar der Mandrill – sonst ständig auf 180 – saß wie ein Mönch.“

Es war keine Musik im klassischen Sinn. Die Besucher rätselten: Ein Lockruf zur Fütterung? Die Kinder kannten die Antwort: Sie klatschten im Takt, weil sie den archaischen Impuls erkannten, den die Erwachsenen längst verlernt hatten. Diese schwiegen und filmten mit ihren Handys, während Musikkenner, die diese Urkraft zu deuten wussten, sein erstaunliches Taktgefühl bewunderten.

Werners Mutter Helga – ein Wildfang aus dem Ituri-Wald – war da ganz anders. Ruhig  mit schwerem Blick. Sie kam 1961 unter dem umstrittenen Direktor Gewalt nach Duisburg. Ihr Naturell: wachsam, aber meist wortlos. Sie ließ Willem gewähren – und trug Werner, ihren Sohn, mit einer stillen Fürsorge, die auch heute noch in alten Super-8-Streifen nachhallt.

Willem hingegen ignorierte Kameras. Er trommelte. Und Werner hörte zu.

Jahre später, in Interviews, weicht Professor Knorb der Frage nach seinem Vater oft aus. Nur einmal, beim Kölner Treff mit Grönemeyer und Anke Engelke, murmelte er zu Micky Beisenherz:

„Der Alte hatte Wucht. Alles andere hab ich mir dann irgendwie auf einer ollen Lenorpulle selber beigebracht.“

Vielleicht beginnt Werners Karriere als Tubist nicht bei Roger Bobo oder Gheorghe Zamfir, sondern hier: auf einem Blechnapf, zwischen Strohmatten, unter dem fahlen Neonlicht des Duisburger Affenhauses. Vielleicht war Willem kein Musiker – aber ein Beginn. Ein Anstoß.

Und wenn in Knorbs Soli manchmal ein fast körperliches Pochen zu hören ist – ganz tief unten, an der Grenze zwischen Musik und Erinnerung – dann hört man ihn vielleicht doch noch: Willem.

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