Direkt zum Hauptbereich

Pflaumenmus über die Atlantikbrücke

 


Knorb war mies drauf. Schon seit Tagen lief nichts. Rieu fuchtelte mit der Geige, Zamfir pustete ins Panflötenholz – alles scheiße. Kein Pflaumenmus weit und breit. In Meiderich stand sonst immer ein Vorrat im Regal, hier in New York: Fehlanzeige.

„Ich brauche meinen Schmierstoff“, knurrte Knorb und tippte missmutig auf den Ventilen seiner Tuba. „Ohne Pflaumenmus keine Inspiration.“

Rieu, der alte Schlickefänger, hatte sofort eine Idee. Er kannte die merkwürdigen Logistik-Gewohnheiten der Ruhrbarone. „Krupp fliegt jeden Tag von Lohausen nach New York. Vertragskram, Ersatzteile, Protokolle. Vielleicht passt da ein Kistchen Pflaumenmus mit rein.“

Er griff zum Telefon.
„Berthold? Ja, André Rieu hier. Problem: Knorb hängt durch. Kein Pflaumenmus. Verstehst du?“

Berthold Beitz verstand. Natürlich verstand er.
Er schickte Mehmet, seinen Assistenten – den die Leute mit spitzer Zunge „Kammertürken“ nannten. Mehmet war pflichtbewusst, immer korrekt gekleidet: dunkelblauer Anzug, hellblaues Hemd, die Krawatte mit den drei Ringen. Er stieg in die dunkle Limousine, schloss leise die Tür und fuhr Richtung Duisburg-Serm.

Bauer Blomenkamp, ein Mann mit ruhigen Händen und vollen Kellern, rückte ohne Zögern zwölf Gläser heraus. „Schwarzmus? Für Knorb? Aber sicher. Grüß ihn.“

Die Gläser wanderten in eine Kruppkiste, die Kruppkiste in die Frachtmaschine. Über Nacht rauschte die Pflaumenmus-Brücke über den großen Teich.

Am nächsten Mittag stand die Lieferung im Backstage des Madison Square Garden. Knorb öffnete ein Glas, dick, violett, süß. Er schaufelte mit einem alten Blechlöffel, schmatzte, nickte – und die schlechte Laune fiel von ihm ab wie ein alter Mantel.

Am Abend spielte er, wie ein Weltmeister. Töne voller Wucht und Schmelz, begleitet von Rieus Glitzer und Zamfirs weicher Flötenluft. Die Halle tobte.

Knorb, Rieu und Zamfir wussten: Dieses Konzert war durch Pflaumenmus gerettet worden.

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Jazz mit Fell – Professor Knorb und seine Tour de Tuba

  Professor Dr. Werner Knorb – Jazz-Schimpanse, Tuba-Virtuose, florale-Brillen-Liebhaber – und: Deutschlands einziger Jazzprofessor. Das allein würde schon reichen, um sich ein Denkmal aus Notenschlüsseln zu gießen. Aber Knorb wäre nicht Knorb, wenn er es dabei belassen hätte. Seine Habilitation bei Roger Bobo? Kein trockenes Papier,  sondern eine wuchtige, an Pendereckis Polymorphia orientierte Version des Tuba-Stücks „Kreuz Kaiserberg“, von Bobo kommentiert mit: „Werner, das ist entweder genial – oder ein Notruf aus dem Untergrund.“ Knorb brummte nur. Die Aufnahme landete später, getarnt unter Pseudonym, auf dem legendären Album „Tuba Libera“ – ein Meilenstein für all jene, die Tuba nicht mehr nur mit Märschen assoziieren. Für seine Promotion zog er alle Register – und blies „The Lonely Shepherd“ auf der Tuba so sehnsuchtsvoll, dass Gheorghe Zamfir, Papst der Panflöte, zu Tränen gerührt war. Was folgte, war eine zweijährige Tour mit Zamfir und André Rieu: Rio, Tokio, Sydne...

Sonderfolge: Operation Goldrahmen

Das passiert nicht alle Tage: Vor dem rostigen Tor des ehemaligen Pumpwerks Alte Emscher – von Knorb liebevoll 'Jazzlabor' genannt – setzt der schneeweiße Cougar der Luftwaffe auf. Seitentür auf, hydraulisches Zischen. Aus dem Heli steigt Majorin Sina Dornfeld (Rufzeichen ‚Eule‘) in makelloser Uniform, ihre Augen scannen das Gelände, bis sie den abflugbereiten Professor mit seinen beiden Dackeln entdeckt. Majorin Dornfeld nimmt unsere drei Freunde persönlich in Empfang. Prof. Dr. Werner Knorb, barfuß wie immer, florale Brille, Batikhemd. Den eingeschlagenen Goldrahmen mit der Geburtsurkunde von Trumps Großvater unterm Arm. Idee: Fritz. Beschaffung: Gustav. Goldene Rahmung: Der Professor. Es geht zum Militärflugplatz Köln-Wahn. Merz wartet schon vor dem Regierungsflieger. Um ihn: Aktenmänner, Uniformen, diskrete Sicherheitsleute mit Knopf im Ohr. Merz: „Werner. Na klar. Wer sonst, wenn’s goldgerahmt sein soll.“ Knorb: „Fassung für den Wahnsinn. Und das im wortwörtlichen Sinn.“ M...

Brass Beauty – Folge IV: Gonna Go Fishin’

  Ein kühler verregneter Mittwochabend im Mai. Gustav und Fritz , die beiden Dackel von Prof. Dr. Werner Knorb , flitzen kläffend zur Tür des Jazzlabors in Meiderich. Knorb schaut von seiner Tuba auf, leicht überrascht. „Geplant war doch heute irgendwie nichts“, murmelt er und stellt die Politur beiseite. Ein Klopfen folgt, und an der Tür steht Jenny Evans – im  abgewetzten weißen Mantel mit einem Notenheft unter dem Arm und einem schelmischen Lächeln im Gesicht. "Werner, ich habe ein Attentat auf Dich vor. Erinnerst du dich? Muffathalle, '99. Du hast backstage eine ganze Kanne von meinem Earl Grey getrunken.“ "Gab ja nix Vernüftiges." Sie lachen. Knorp bittet sie herein. Das Jazzlabor riecht nach Kolophonium, nassem Notenpapier und einer Prise Melancholie. "Erinnerst Du Dich, nach dem Konzert, als wir ‘Für eine Nacht voller Seligkeit’ gespielt haben?“ Knorb lächelt, greift zur Tuba und nickt. „Peter Kreuder. Klassiker. Gustav, Fritz macht uns mal 'ne Flasc...