Man kann nicht behaupten, dass Professor Dr. Werner Knorb ein sentimentaler Zeitgenosse sei. Aber der 22. Mai hat sich in seinem jazzvernebelten Kalender festgesetzt – und das einzig und allein wegen eines Nachtischs: Vanillepudding.
Aber nicht irgendein Vanillepudding. Vla. Der echte. Der cremige. Der holländische.
Die Geschichte beginnt – wie so oft – mit Musik. Irgendwann in den späten 90ern (oder war’s früher?), hatte Dave Stewart (ja, der Dave Stewart) ein Projekt mit Candy Dulfer angesetzt. Irgendwas zwischen Funk, Jazz und Knorbscher Anarchie. Die beiden verstanden sich blendend, zumal der Professor seine Tuba wie ein Saxophon behandelte und Candy im Gegenzug ihr Saxophon wie eine Tuba hielt.
Während einer längeren Aufnahmesession zu „Lily Was Here“ – Knorb steuerte das tief schwebende Fundament bei – kam Candys Mutter Inge ins Studio. Wie selbstverständlich servierte sie in der Pause Vla, dampfend und mit dem Löffel leicht aus der Schale tänzelnd.
„Was ist das?“, fragte Knorb.
„Vla“, sagte Inge. „Aber nicht der deutsche Vanillepudding, der ist zu dick, zu bitter und zu traurig.“
Knorb nickte. Für Traurigkeit war seine Tuba zuständig. Er forderte das Rezept.
Seitdem ist es Ritual: Am 22. Mai, und nur dann, kocht Knorb diesen Vla nach. Für Fritz und Gustav, die sich im ehemaligen Pumpwerk Alte Emscher platzieren wie zwei zeremonielle Hohepriester. Während der Vla abkühlt, spielt der Professor auf seiner Tuba „Merci, Chérie“.
Fritz blinzelt. Gustav kläfft: „Aber bitte mit Sahne – zackig.“
Professor Dr. Werner Knorb – Jazz-Schimpanse, Tuba-Virtuose, florale-Brillen-Liebhaber – und: Deutschlands einziger Jazzprofessor. Das allein würde schon reichen, um sich ein Denkmal aus Notenschlüsseln zu gießen. Aber Knorb wäre nicht Knorb, wenn er es dabei belassen hätte. Seine Habilitation bei Roger Bobo? Kein trockenes Papier, sondern eine wuchtige, an Pendereckis Polymorphia orientierte Version des Tuba-Stücks „Kreuz Kaiserberg“, von Bobo kommentiert mit: „Werner, das ist entweder genial – oder ein Notruf aus dem Untergrund.“ Knorb brummte nur. Die Aufnahme landete später, getarnt unter Pseudonym, auf dem legendären Album „Tuba Libera“ – ein Meilenstein für all jene, die Tuba nicht mehr nur mit Märschen assoziieren. Für seine Promotion zog er alle Register – und blies „The Lonely Shepherd“ auf der Tuba so sehnsuchtsvoll, dass Gheorghe Zamfir, Papst der Panflöte, zu Tränen gerührt war. Was folgte, war eine zweijährige Tour mit Zamfir und André Rieu: Rio, Tokio, Sydne...
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