Nikki Yanofsky hatte im ehemaligen Pumpwerk Alte Emscher übernachtet. Sie war spät in Düsseldorf angekommen. Irgendwie wollte sie nicht ins Hotel. Zu kalt, zu funktional. - "Nikki, Du kannst im Labor pennen." - Knorb hatte ihr die Schlüssel unter die Fußmatte gelegt. Fritz hatte ein rotes Schokoherz auf das Feldbett mit dem dicken Carinthia-Schlafsack gelegt.
Als Knorb morgens mit der Solex und den beiden Dackeln im Beiwagen zum Dienst erscheint, steht auf dem abgedeckten Vibraphon ein kleines Frühstücks-Buffet: Croissants, Bagels (Nikki ist aus Montréal) und je ein Happen grobe Leberpaté für die Herren Dackel.
Knorb: „Das erste Mal hab ich dich 2011 in Montreux gehört.
B. B. hatte mich gebucht. Ich sollte was Leichtes spielen zu "Key To The Highway". Ding der Unmöglichkeit. Ich hab’s trotzdem gemacht. Ich mach mich ja gern zum Affen. Kam tatsächlich gut an, mein Tüdelü. B. B. hat wie immer fürstlich gezahlt.
Und dann... standet ihr plötzlich da.“
Nikki (blickt kurz auf, lächelt):
„Quincy hat su mia gesahgt: ‘Follow le gars de la tuba – faut ben que quelqu’un watch out.’“
Knorb:
„Ja, ja. Und dann habt ihr Birdland gespielt. Diesen alten Rausschmeißer. Ich hatte Pippi in den Augen. Weil ihr so gut wart. Ich hatte das Ding zwei Jahre lang mit Rieu und Zamfir worldwide rauf und runtergedudelt – immer nach The Lonely Shepherd. Immer. Ich konnte’s nicht mehr hören.“
Nikki:
„But we did it different, didn't we?“
Knorb:
„Ja. Ihr habt’s gerettet.“
Pause. Ein Blick zwischen ihnen. Die Dackel dösen. Nikki geht langsam zum Vibraphon. Klopft leicht auf den Holzrahmen.
Nikki:
„Do you still remember it?“
Knorb:
„Mais oui.“
Er nimmt die Tuba. Nikki greift zum Glockenspiel-Stick, ganz leise. Dann setzen sie an. Keine große Show. Lullaby of Birdland. Eine letzte, zärtliche Version. Als wär’s zum Einschlafen. 
Danach: Stille.
Nikki steht auf. Schnappt sich ihre Jacke. Streicht Fritz über den Kopf. An der Tür dreht sie sich noch mal um. Knorb hebt den Kopf, will was sagen. Aber da kommt sie ihm zuvor. - „Bye, bye and Saalligt, right?“
  Professor Dr. Werner Knorb – Jazz-Schimpanse, Tuba-Virtuose, florale-Brillen-Liebhaber – und: Deutschlands einziger Jazzprofessor. Das allein würde schon reichen, um sich ein Denkmal aus Notenschlüsseln zu gießen. Aber Knorb wäre nicht Knorb, wenn er es dabei belassen hätte. Seine Habilitation bei Roger Bobo? Kein trockenes Papier,  sondern eine wuchtige, an Pendereckis Polymorphia  orientierte Version  des Tuba-Stücks „Kreuz Kaiserberg“, von Bobo kommentiert mit: „Werner, das ist entweder genial – oder ein Notruf aus dem Untergrund.“ Knorb brummte nur. Die Aufnahme landete später, getarnt unter Pseudonym, auf dem legendären Album „Tuba Libera“ – ein Meilenstein für all jene, die Tuba nicht mehr nur mit Märschen assoziieren. Für seine Promotion zog er alle Register – und blies „The Lonely Shepherd“ auf der Tuba so sehnsuchtsvoll, dass Gheorghe Zamfir, Papst der Panflöte, zu Tränen gerührt war. Was folgte, war eine zweijährige Tour mit Zamfir und André Rieu: Rio, Tokio, Sydne...

Kommentare