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Muckefuck

In den Ferien ging es meistens zu den Großeltern, die nach dem Krieg als Flüchtlinge am Rande des Naturparks Lauenburgische Seen ein Siedlungshäuschen bezogen hatten. Die Koppel.

Dort wurde nach einem strengen Tagesablauf gelebt.
Halb Sechs Aufstehen. Zähneputzen. Mein Opa gurgelte danach immer mit einem Schnaps. "Ein Daumenbreit". Die Zähne haben knapp 80 Jahre gehalten. Gute Bilanz. Ich fang’s trotzdem nicht an.

Dann ging es zum Bienenhaus, die Temperatur ablesen. "Wollen mal zum Bienenschauer gehen." Es war immer zu warm bzw. zu kalt. Was immer mit seinem berühmten "Ohooohoho!" kommentiert wurde. Auf dem Rückweg wurden die Hühner und Tauben aus dem Stall gelassen.

Kurz vor Sechs gab es Frühstück. Dazu zündete meine Oma in der Küche eine Kerze auf dem Spültisch an. Den hatte mein Opa nach dem Krieg gezimmert. Spülbecken waren zwei Radkappen von einem Militärfahrzeug.

Als eine richtige Spüle installiert wurde, kam ein Brett drauf und das ganze war dann der Frühstückstisch. Auf dem wurde dann gefuttert. Graubrot, dick Butter. "Nimm mal ordentlich Butter, Du hast ja nuscht drauf." Dazu Honig, Marmelade und Rübensirup. Oma und Opa saßen auf einer Holzkiste Besuch bekam Stühle.

Während des Frühstücks wurde auf NDR 2 die Plattdeutsche Morgenandacht gehört. Doch zuvor stellte mein Opa die immer gleiche Frage: "Ist da Muckefuck dirn?" Es gab nämlich immer zwei Kannen. Eine braune, die *immer* mit Muckefuck (Berlin: Lorke) gefüllt war ("für Opa und die Kinder") und eine grüne in der Kaffee war.

Der Supermarkt meines Vertrauens führt diesen Ersatzkaffee. Und gestern habe ich dann dort auch eine Packung erstanden. Eigentümer ist mittlerweile ein Lebensmittelriese aus der Schweiz. Schmeckt aber wie vor 30 Jahren.

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